Schlechte Zeiten für Transatlantiker
Transatlantiker? Das waren doch diese Politiker, die immer besonders gute Beziehungen in die USA pflegten und jede Kritik am Verhalten der USA in Bezug auf deren unrechtmäßige Kriege (im Irak), deren Praxis der rechtsfreien Foltergefängnisse für mutmaßliche Terroristen (Abu Ghraib und Guantanamo Bay) oder allgemein deren rücksichtsloses, nur auf den eigenen Vorteil bedachtes Verhalten („Willow-Projekt“ u.v.a.) immer mit der unverbrüchlichen Freundschaft unserer Länder und der Wahrung unserer Sicherheitsinteressen durch die USA konterten.
Tja, und nun? Trumps erste Amtszeit erweist sich nun nur als Vorgeschmack darauf, wie er jetzt agiert: Europa ist ihm nicht nur komplett egal, nein, er sieht Europa inzwischen sogar ganz offen als Gegenspieler an. Auf die NATO-Beistandsverpflichtung würde ich, wenn es um die USA geht, keinen Cent mehr wetten. Ganz offen ergreift Trump Partei für die Gegner Europas und zwar außerhalb und innerhalb Europas. Und diesmal gibt es keine Trump umgebende Administration, die hinter ihm, bzw. nach seinen Äußerungen versucht aufzuräumen. Nein, diesmal ist er von Lakaien umgeben, die ihn entweder noch zusätzlich anstacheln, oder seinen Job fortführen.
Transatlantiker? Gibt es jetzt nur noch auf einer Seite, die man vergessen kann: Die AfD, bzw. Alice „Wiedel“ scheint ja einen guten Draht zu Elon Musk, dem anderen Extremisten in Washington zu haben, zumindest wenn man ihr Arschkriechen so bezeichnen möchte. Und von allen Europäern scheint die postfaschistische Ministerpräsidentin Italiens wohl noch die besten Kontakte nach Washington zu haben. Na, schönen Dank auch!
Europa hat geschlafen. Wir haben uns - wieder mal - zu sehr darauf ausgeruht, dass alles so bleibt, wie es, zumindest bei genauerer Betrachtung, nie war. Die USA und Europa waren zwar seit Ende des zweiten Weltkriegs Partner, aber eben immer auch in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander. Jeder US-Präsident hat natürlich immer versucht, möglichst viele wirtschaftliche Vorteile für sein Land herauszuholen, aber die Konkurrenz ging eben nie so weit, dass jedes Mittel recht war, um den Mitkonkurrenten Europa auszustechen. Neu ist die extreme Dreistigkeit, mit der Trump vorgeht und wie konsequent und umfassend er dies tut. Während jeder andere US-Präsident Wirtschaft und den Rest voneinander trennte und bei aller wirtschaftlichen Konkurrenz weiterhin auf sicherheitspolitische Partnerschaft und ein Miteinander in der Außenpolitik setzte, hat Trump diesen Konsens aufgekündigt und behandelt Europa als Konkurrent im umfassenden Sinne.
Was bedeutet das nun für uns? Wir werden uns sicherheitspolitisch auf eigene Beine stellen müssen. Ich zweifele nicht daran, dass dies gelingen wird, aber es wird schmerzhaft werden, denn angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen trifft uns diese neue Herausforderung zur Unzeit. Wir werden zukünftig viel genauer abwägen müssen, wofür staatliche Mittel verwendet werden. Die Zeiten der „Bazooka“ und des „Doppelwumms“ sind vorbei (zumindest in finanzpolitischer Hinsicht)! Stattdessen müssen wir schauen, dass bei all diesen Herausforderungen nicht das auf der Strecke bleibt, was Europa - allen Unkenrufen zum Trotz - so stark gemacht hat, dass wir eine ernsthafte wirtschaftliche Konkurrenz zu den USA darstellen können: Unsere Einigkeit. Die Antwort auf unsere Probleme kann nicht „Deutschland first!“ heißen, sie muss mehr Europa lauten!