Haushalt mit den Stimmen der Gruppe SPD/Grüne beschlossen
Mit den Stimmen der Gruppe SPD/Grüne hat der Rat der Stadt Osterode am Harz den Haushalt für 2017 beschlossen. Er ist ausgeglichen und gekennzeichnet durch hohe Investitionen. Leider war dazu eine Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer unumgänglich. Ohne Steuererhöhung hätten aber wichtige Maßnahmen über den Verfall von Fördergeldern hinaus aufgeschoben werden müssen, was letztlich deutlich teurer werden würde.
Im Folgenden geben wir hier die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Jörg Hüddersen wieder:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,
die erste Haushaltsrede einer neuen Wahlperiode – zumal gehalten von einem neuen Fraktionsvorsitzenden – ist die Gelegenheit, nicht nur den aktuellen Haushalt zu beleuchten, sondern die gesamte Wahlperiode einmal haushaltspolitisch in den Blick zu nehmen.
Um es gleich vorweg zu sagen: die Haushaltspolitik der SPD-Fraktion wird weiterhin geprägt sein von der Verantwortung für die zukünftige Entwicklung der Stadt Osterode am Harz. Die SPD hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Weichen für eine gute Entwicklung der Stadt richtig gestellt. Nicht umsonst steht Osterode am Harz auch im Vergleich mit den Nachbargemeinden gut da – und das trotz der Tatsache, dass wir als Mittelzentrum zum Beispiel mit dem Aloha und der Stadthalle Einrichtungen vorhalten, die uns jährlich über drei Millionen Euro kosten. Diese Funktion als Mittelzentrum müssen wir auch zukünftig ausfüllen – im nun viel größeren Landkreis sogar noch stärker als bisher. Und das schließt auch weiterhin das Vorhalten solcher Einrichtungen ein.
Umso mehr wird es in den kommenden Jahren darauf ankommen, genau zu schauen, wofür wir Geld ausgeben und wo wir Geld einnehmen. Möglichkeiten, sinnvoll Geld auszugeben gibt es reichlich: die Stadt Osterode am Harz ist in der glücklichen Lage, aus vielen Töpfen Fördergelder zu bekommen, um z.T. lange anstehende Baumaßnahmen und Konzeptentwicklungen zu finanzieren. Allerdings hat diese Medaille auch eine zweite Seite: die Ko-Finanzierung. Die Geldgeber finanzieren immer nur einen Teil der Kosten, die Stadt muss aus eigenen Mitteln zwischen 10% und 70% beitragen. Und das ist angesichts der geringen freien Spitze im Haushalt jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung. Denn eine rote Linie darf dabei nicht überschritten werden, und das ist der Haushaltsausgleich. Langfristig gilt es auch ein zweites Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt Osterode am Harz. Diese ist erst wieder gegeben, wenn die Liquiditätskredite real um mindestens 10 Mio. Euro gesunken sind. Erst dann ist der Haushalt der Stadt wieder genehmigungsfrei und der Bürgermeister und der Kämmerer müssen nicht mehr Jahr um Jahr mit der Genehmigungsbehörde über die Haushaltsgenehmigung verhandeln. Das Ziel ist dabei natürlich nicht vorrangig, beiden Herren die Arbeit zu erleichtern. Es geht vielmehr darum, die Spielräume wieder so zu erweitern, dass wir wieder von echter kommunaler Selbstverwaltung reden können. Denn machen wir uns nichts vor: abgesehen vom Aloha investiert die Stadt Osterode am Harz in größerem Umfang nur dort, wo es Fördermittel gibt. Was saniert oder weiterentwickelt wird, bestimmt also nicht nur der Rat, sondern auch das Vorhandensein von Fördertöpfen. Zum Glück gibt es für viele notwendige Maßnahmen auch Fördertöpfe, aber trotzdem sind wir damit ein Stück fremdbestimmt, investieren in Projekte, die auf der Prioritätenliste nicht auf den vordersten Plätzen stehen und verschieben dafür andere Investitionen, bis sich Förderungen auftun. Ein Beispiel dafür ist die Sanierung der Fußgängerzone, die in der mittelfristigen Finanzplanung zurzeit für 2020 vorgesehen ist. Wünschenswert wäre es, hier richtig Gas zu geben, vorher müssen aber noch andere Maßnahmen wie die Sanierung der Schachtruppvilla durchgeführt werden, da sonst die Förderung dafür verfällt. Daher werden wir bei der Innenstadt in diesem Jahr lediglich in die Planung einsteigen und müssen uns mit der Umsetzung noch weitere zwei Jahre gedulden.
Ein weiteres Beispiel in dieser Reihe ist die Seesener Straße. Wer sich dort den Zustand des Straßenbelags anschaut, mag denken, dass eine Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht Not tut. Aber jetzt haben wir Fördermittel und die Asphaltdecke wird in wenigen Jahren verschlissen sein, da sie nur als Reparaturmaßnahme auf den alten Straßenunterbau aufgebracht wurde. Also sanieren wir lieber jetzt schon und nehmen dabei knapp 700.000 € Fördergelder für die Seesener Straße und den Kreisel am Bahnübergang mit. In ein paar Jahren müssten wir die Baukosten von etwas über einer Million Euro komplett aus dem eigenen Haushalt bezahlen.
Bei den Ausgaben werden wir in Zukunft noch genauer hinschauen, wofür wir Geld ausgeben. Die Verwaltung hat bereits in einer Reihe von Teilbereichen eine Aufgaben- und Produktkritik vorgenommen. Damit hat sie unter der Führung des Bürgermeisters selbst Verantwortung für sparsame Mittelverwendung übernommen, was wir sehr begrüßen. Es ist auch im Interesse der SPD-Fraktion, dass dieser Prozess fortgesetzt wird und die noch ausstehenden Bereiche möglichst schnell abgearbeitet werden. Darüber hinaus sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir den Haushalt für die politischen Gremien und die interessierten Bürger transparenter gestalten. Wenn man beispielsweise die bereits vorhandenen Produktziele nicht nur als Vorhaben oder Aufgabe formuliert, sondern auch mit messbaren Größen hinterlegt, fällt es allen Beteiligten leichter, Ziele zu formulieren und die Effizienz des Einsatzes von Personal und Geld zu beurteilen. Das ist in Ansätzen bereits vorhanden, allerdings ist in diesem Bereich noch „Luft nach oben“.
Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, uns als Sozialdemokraten kommt es im Besonderen darauf an, dass wir solidarisch mit denjenigen sind, die nicht die wirtschaftliche Stärke haben, um im vollen Umfang am Leben der Stadt teilzunehmen. Betrachtet man das Preisniveau des Aloha, der Stadthalle und anderer städtischer Einrichtungen, so sind wir bereits mehr als solidarisch und subventionieren neben den wirtschaftlich schwachen auch die wirtschaftlich starken Einwohnerinnen und Einwohner. Ich will ein Beispiel nennen: Wer in der Lage ist, 300 € im Voraus auf einer Aloha-Sparkarte zu parken, erhält dafür den höchsten Rabatt. Wer nicht in der Lage ist, überhaupt Geld auf eine Guthabenkarte einzuzahlen, erhält auch keinen Rabatt. Da drängt sich mir schon das Bild von dem dickem Haufen auf, auf den immer noch oben drauf – na Sie wissen schon! Diese Anregung kommt übrigens von der WIBO-Geschäftsführerin Severine Schmidt – wir arbeiten da also auf keinen Fall gegen- sondern vielmehr miteinander!
Auch in der Gesamtpalette des Angebots müssen wir uns fragen, ob es solidarisch ist, alles zu subventionieren oder sich stattdessen auf diejenigen Angebote zu konzentrieren, die für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für die wirtschaftlich Schwachen von besonderer Bedeutung sind. Sollen wir etwa beim freien Eintritt ins Freibad für Ferienpasskinder auf Sponsoren hoffen, aber gleichzeitig Kosmetikbehandlungen und Wellnessmassagen im Aloha durch nicht kostendeckende Preise subventionieren? Müssen wir beim Theater-Abo alle Platzkategorien gleichmäßig subventionieren oder erzielen wir nicht einen besseren Ausgleich zwischen Solidarität und Wirtschaftlichkeit, wenn diejenigen, die in den ersten Reihen sitzen möchten, dafür mindestens kostendeckende Preise bezahlen? Das sind nur einige plakative Beispiele. Der Teufel steckt hier ziemlich im Detail – will sagen, dass auch ich hier keine fertige Lösung in der Tasche habe. Ich finde es aber wichtig, diese Diskussion anzustoßen und zu führen. Und dazu müssen auch Zahlen auf den Tisch, womit wir wieder bei den Kennzahlen im Haushalt sind.
Unterm Strich wollen wir als SPD-Fraktion aktiv und konstruktiv an einer positiven Entwicklung des städtischen Haushalts mitwirken. Wir wollen weiterhin sparen, verweigern uns aber auch nicht dem Vorhaben, Mehreinnahmen zu generieren. Damit wären wir bei der bitteren Pille dieses Haushalts, nämlich der Erhöhung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer. Ja, auch ich habe gedacht: „Das muss doch wohl nicht sein“, als der Bürgermeister dies bei der Haushaltseinbringung im Dezember vorschlug. Schließlich haben wir ja auch gesunkene Ausgaben durch die niedrigere Kreisumlage. Und natürlich befinden wir uns auch im Standortwettbewerb mit anderen Kommunen.
Wir haben dann bei unserer Haushaltsklausur die einzelnen Investitionen angeschaut und jedes Mal festgestellt, dass es am Ende teurer wird, wenn wir im Moment darauf verzichten. Daher brauchen wir die Einnahmen tatsächlich, um zu investieren und gleichzeitig den Haushaltsausgleich zu schaffen. Außerdem leisten wir so einen größeren Beitrag zur Attraktivität der Stadt als in den vorangegangenen Jahren, was den Gewerbesteuerzahlern zum Beispiel bei der Gewinnung von Mitarbeitern zugutekommt. Die zusätzlichen Einnahmen werden investiert und das wird man im Stadtbild sehen. Den Reflex der IHK, dies als Interessenvertretung der Unternehmen zu kritisieren, kann ich zwar nachvollziehen, finde ihn aber in der Gesamtbeurteilung zu kurz gesprungen. Letztlich siegt hier die Einsicht in die Fakten über das Grummeln im Bauch.
Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, kommen wir zum Schluss noch zu den Dingen, die nicht im Haushalt stehen. Da wäre zu allererst das Aloha zu nennen. Wir wissen aktuell noch nicht, wie der Sanierungsumfang genau sein wird, welche Kosten entstehen und wann das Bad wieder vollständig öffnet. Die vom Rat im letzten Jahr beauftragten Planer sind an der Arbeit und werden uns ihre Ergebnisse vorlegen, sobald sie fertig sind. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit: Wir wollen alle keine Schnellschüsse, die uns in der Umsetzung wieder auf die Füße fallen. Schließlich planen wir jetzt für die nächsten 3 - 4 Jahrzehnte. Für den Kernhaushalt der Stadt sind die Auswirkungen der Aloha-Sanierung überschaubar: Wir müssen in den kommenden Jahren mit einer weitaus geringeren oder gar keiner Entnahme aus der WIBO auskommen. Die WIBO braucht ihre Mittel zur Tilgung der aufzunehmenden Kredite und die Ausschüttungen der Harz Energie an die WIBO werden aufgrund der Situation auf den Energiemärkten mittel- und langfristig vermutlich eher sinken als steigen.
Mein zweiter Punkt ist ein alter Bekannter: der Hochwasserschutz in Dorste. Wir fragen uns mittlerweile, ob es sinnvoll ist, an dem Ziel HQ100 – also dem Schutz vor Hochwassern, die einmal in 100 Jahren vorkommen – festzuhalten. Das wird nun schon seit 30 Jahren probiert und herausgekommen ist bislang nur Papier, aber kein Stück Schutz. Das lag nicht am fehlenden Engagement der Beteiligten vor Ort. Ich möchte nicht wissen, wie viele Stunden ihres Lebens die Ortsbürgermeisterin Helga Klages schon mit diesem Thema zugebracht hat. Wir möchten nun prüfen lassen, ob wir mit einer Gewässer-Renaturierung neben einem verbesserten Naturschutz nicht auch die Gefahr von Hochwassern verringern können. Wenn wir wieder Mäander zulassen und Überflutungsflächen schaffen, erreichen wir, dass die Keller nicht mehr bei jedem stärkeren Regen volllaufen. Das ist dann zwar lange noch kein HQ100, aber die Mehrzahl der Schadensereignisse liegt doch im Bereich HQ5 oder HQ10 und genau dort würden wir Abhilfe schaffen. Außerdem wurde eine solche Maßnahme im Bereich der Gemeinde Wulften in der Vergangenheit mit 90% gefördert, was die Chancen einer Realisierung erheblich steigert. Nehmen wir also den Spatz in der Hand statt weitere Jahrzehnte die Taube auf dem Dach anzuhimmeln. Da diese Prüfung aus laufenden Mitteln bestritten werden kann, bringen wir sie heute nicht als Änderungsantrag für den Haushalt ein, sondern werden den Antrag in der Ratssitzung im Februar stellen.
Lassen Sie mich das alles wie folgt zusammenfassen: die SPD-Fraktion wird dem Haushalt und den damit verbundenen Steuererhöhungen zustimmen, weil er den Weg der Haushaltskonsolidierung weitergeht und trotzdem erhebliche Investitionen vorsieht. Wir sind uns aber auch bewusst, dass damit neue Aufgaben für uns als Kommunalpolitiker verbunden sind, denen wir uns stellen werden. Wir sind überzeugt davon, dass wir mit dieser konstruktiv-kritischen Begleitung der Arbeit der Verwaltung am meisten für die Stadt Osterode am Harz tun können.